Seite 3 - UNI-INFO November 2012

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UNI-INFO
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issenschaftler aus Polen und
Deutschland untersuchen die
Verlagslandschaft von Breslau. Dazu
ein Gespräch mit dem Koordinator
Prof. Dr. Detlef Haberland (Foto) vom
BKGE.
UNI-INFO: Sie erforschen derzeit
zusammen mit Partnern der Uni-
versitäten Breslau und Leipzig die
Verlagslandschaft der Stadt Breslau
zwischen 1800 und 1945. Was macht
die Breslauer Verlage so besonders?
HABERLAND: Grundsätzlich ist
Verlagsgeschichte ein essenzieller
Bestandteil der Kultur-, Literatur-
und Wissenschaftsgeschichte, was
leider viel zu wenig gesehen wird.
Breslau als sechstgrößter Verlags-
standort imDeutschen Reich ist we-
der von polnischer noch von deut-
scher Seite erforscht, es war eine
bedeutende deutscheMetropole im
östlichen Europa. Der Zeitraum ist
unteranderemdeshalbsointeressant,
weil in ihm eine Reihe politischer,
wirtschaftlicher und, nicht zu verges-
sen, technischer Entwicklungen das
VerlegenvonBüchernrevolutionierte.
UNI-INFO: Annähernd 300 Verlage
gab es in Breslau, und siewaren auch
vernetzt mit Partnern in Polen oder
Böhmen. Auch diesen Netzwerken
gehen Sie auf den Grund.
HABERLAND: D i e Tätigke it s-
zeiträume einzelner Verlage und ihre
Wirkungsradien waren ganz ver-
schieden. Wenn es Verbindungen
in diese Länder gab, so wird man
hoffentlichmehr über politische und
wirtschaftliche Ausrichtungen der
Buchprogramme sowie über die Be-
ziehungeneinzelnerPersönlichkeiten
zueinander erfahren.
UNI-INFO: Erwarten Sie durch die
Forschungen auch Ergebnisse, die
helfen, die Gegenwart besser zu ver-
stehen?
HABERLAND: Jede
kulturhistorischeFor-
schungistwichtigfür
die jeweiligeGegen-
wart. Wir erleben zur
Zeit erneut eine Ver-
änderungimVerlags-
und Buchwesen –
Stichworte sind „elektronisches Buch“
und „Digitalisierung“. Vergleichbar
damit ist die Revolutionierung der
Buchherstellung und -distribution
durch die Mechanisierung der Tech-
nik zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
DadurchkonntenzehntausendeExem-
plare eines Titels auf denMarkt kom-
men; Bildung, Wissenschaft, Politik
undLeseverhaltenwurdennachhaltig
verändert. Die Vorgeschichte und die
Strukturen des Nationalsozialismus
sind für Schlesien insgesamt noch
nicht hinreichend erforscht.
Interview: Matthias Echterhagen
In der Gutenberg-
Galaxis von Breslau
Forschungstag
B
eimersten „Tagder Forschung“
an der Universität stehen die
koordiniertenForschungsverbünde
imMittelpunkt. Veranstalter ist die
StabsstelleForschung.NachderBe-
grüßung durch Prof. Dr. Katharina
Al-Shamery, Vizepräsidentin für
Forschung, berichtendieSprecher-
Innen der Verbundprojekte über
ihre Forschungsprogramme – so
unteranderemüberdiedreiSonder-
forschungsbereiche, das Exzellenz-
cluster Hearing4all und die Gradu-
iertenkollegs. Die Veranstaltung,
die Einblicke in die Forschungsar-
beitet der Universität bietet, richtet
sich an ProfessorInnen und den
Wissenschaftlichen Mittelbau.
Wann: 12. November, 9.00 Uhr
Wo: Bibliothekssaal
Ein Kläger hätte gute Chancen
Jurist untersucht 50+1-Regelung der Deutschen Fußball-Liga
B
ulat Tschagajew erwirbt im Mai
2011
den schweizerischen Traditi-
onsklub Xamax Neuchatel. Der tschet-
schenische Geschäftsmann führt eine
ReihevonNeuerungenein.Soschmückt
bald ein tschetschenisches Symbol das
bisdahinunangetasteteVereinswappen.
Die Anzeigetafel imStadion bringt nun
auch die für den Investor verständliche
kyrillische Schrift, und in den Halbzei-
tpausenerscheinenVideosausTschaga-
jews Heimatland.
Eine Geschichte aus Fußball-Absurdi-
stan,dieinderBundesliganichtmöglich
wäre – dank der sogenannten 50+1-Re-
gelung. Der Paragraf in den Statuten
der Deutschen Fußball-Liga verhin-
dert, dass Investoren die Mehrheit der
Stimmrechte an einem Fußballklub er-
werbenkönnen. DerMuttervereinmuss
50
Prozent plus ein Stimmrecht halten.
Der Oldenburger Jurist Dr. Jan-Henric
M. Punte hat sich mit dieser Regelung
eingehend auseinandergesetzt. Eines
der Ergebnisse seiner Dissertation am
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht von
Prof. Dr. Jürgen Taeger: Die Regelung
sei mit geltendem EU-Recht nicht ver-
einbar, sie gehöre abgeschafft.
Weil das Verbot nahezu „ausnahmslos“
gelte, sei es im Ergebnis als „unverhält-
nismäßig“ zubetrachten. Hinzukomme,
dass die Fußballklubs bei einer Aufhe-
bungderNormnichtgezwungenwären,
ihreMehrheitsbeteiligungen zu verkau-
fen. „Ihnen bleibt damit die Freiheit,
selbst darüber zuentscheiden, ob–und
wenn ja – anwen sieAnteile verkaufen“,
so Punte gegenüber dem UNI-INFO.
Damit haben sie es letztlich selbst in
der Hand, die Kontrolle über die Ge-
schäftsleitungzubehalten,dieGefahren
des Kapitalmarkts einzugehen und ihre
Tradition zu wahren.“
Puntes Gegenvorschlag lautet: Streicht
die 50+1-Regelung und führt eine
25
+1-Regelung ein. Danach wird der
Mutterverein verpflichtet, mindestens
25
Prozent der Stimmrechte plus ein
Stimmrecht an dem ausgegliederten
Fußballunternehmen zu halten. Den
Investoren würde erlaubt, 74 Prozent
der Stimmrechte an der Fußballka-
pitalgesellschaft zu erwerben. „Auf
diese Weise würde den Investoren die
Kontrolle über das operative Geschäft
gewährt,wasihregenerelleBereitschaft
deutlich erhöhen würde, Geld in deut-
sche Fußballkapitalgesellschaften zu
investieren“.
Ebenso könne man so die Leistungs-
fähigkeit der Klubs sowie die Qualität
undAusgeglichenheitdesWettbewerbs
deutlich erhöhen. Ein Negativszena-
rio wie das des Schweizer Traditi-
onsklubs Xamax Neuchatel sei dabei
ausgeschlossen. „Der Mutterverein
hat aufgrund der ihm eingeräumten
Sperrminorität bei wesentlichen Ent-
scheidungen und schwerwiegenden
strukturänderndenMaßnahmen letzt-
lich immer eine Art Veto-Recht – und
damit das letzte Wort.“
Punte sieht dringenden Handlungsbe-
darf auf der Seite des Ligaverbands.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein
Investor, der sich durch die geltende
Regelung benachteiligt fühlt, Klage vor
demEuropäischenGerichtshof erhebt.“
Dessen Chancen, ist sich Punte sicher,
stünden nicht schlecht. (me)
Dr. Jan-Henric M. Punte: Die Kapitalge-
sellschaft als Rechtsform professioneller
Fußballclubs im Spannungsfeld von Ver-
bandsautonomie und Europarecht, Bd. 38,
XXIV, 305 S., Edewecht 2012, 59,80 Euro,
ISBN-13 978-3-939704-83-6
S
ie ist eine der am stärksten be-
drohten Minderheitensprachen
Europas: Saterfriesisch, die einzige
noch gesprochene Ausprägung des
Ostfriesischen. Mit der Erforschung
der sprachlichen Situation des Sa-
terlandes, 40 Kilometer östlich von
Oldenburg gelegen, setzen sich jetzt
WissenschaftlerInnen der Universität
Oldenburg in einem Forschungspro-
jekt auseinander. Es heißt „Lautliche
und prosodische Variation im Sater-
land: Saterfriesisch, Niederdeutsch,
Hochdeutsch“,undistamSchwerpunkt
Niederdeutsch und Saterfriesisch“
unter Leitung von Prof. Dr. Jörg Peters
(
Foto) angesiedelt. Das Projekt wird
von der Deutschen
Forschungsgemein-
schaf t (DFG) mit
knapp 270.000 Euro
unterstützt. Peters
und die Sprachwis-
senschaftlerInnenDr.
Wilbert Heeringa
und Heike Schoormann untersuchen
in den kommenden drei Jahren die re-
gionalen Unterschiede in der Ausspra-
che des Saterfriesischen. Außerdem
analysieren sie den Einfluss von Nie-
derdeutsch und Hochdeutsch auf die
Minderheitensprache.
In den Dörfern Scharrel, Ramsloh
und Strücklingen führen die Wissen-
schaftlerInnen Tonaufnahmen in den
drei Sprachen des Saterlandes durch
und werten die Daten akustisch aus.
Hauptaugenmerk der ForscherInnen
liegt dabei auf demVokalsystemen der
drei Sprachen.
Durch die Untersuchung erhalten
wir Aufschluss darüber, ob sich die
Aussprache des Saterfriesischen bei
jüngeren Sprechern imWandel befin-
det, wie weit das Saterfriesische in den
drei Ortsdialekten variiert, und welche
Rolle hierbei das Niederdeutsche und
das Hochdeutsche als Kontaktspra-
chen spielen“, so Peters. Die Ergebnisse
des Projekts seien nicht nur für die
beteiligten Fachwissenschaften von
Bedeutung, sondern auch für die Pla-
nung von Maßnahmen zum Erhalt des
Saterfriesischen.
Seit 2007 leitet Peters den „Schwer-
punkt Niederdeutsch und Saterfrie-
sisch“. Das Schwerpunktstudium Nie-
derdeutschbefähigt LehrerInnendarin,
Niederdeutsch und Saterfriesisch an
Schulen zu unterrichten. Nach posi-
tiver Evaluation ist der Schwerpunkt
nun fest am Institut für Germanistik
verankert. Im nächsten Jahr bietet das
Institut mit finanzieller Unterstützung
desLandesNiedersachsenweitereQua-
lifikationsmaßnahmen für LehrerInnen
im Bereich Niederdeutsch an. Das
Schwerpunktstudium Niederdeutsch
und Saterfriesisch ist in Niedersachsen
bislang einmalig. (tk)
Mit dem Aufnahmegerät
quer durchs Saterland
DFG fördert Projekt zur Minderheitensprache
B
ürger, Staatsbürger oder Kosmo-
polit? Wie wirken sich aktuelle
Globalisierungsprozesse auf Indivi-
duen und Gesellschaften aus? Wie
reagieren die nationalen und inter-
nationalen Politiken darauf? Welche
neuen sozialen Bewegungen entste-
hen? Diese und andere aktuelle Fra-
gen der Migrationsforschung stehen
im Fokus der internationalen und
interdisziplinären Konferenz „Ne-
BoCo. New Borderlands or Cosmo-
politanism from Below?”. Über 90
internationale ReferentInnen und
NachwuchswissenschaftlerInnen dis-
kutieren, wie globale Migrationspro-
zesse Konzepte wie „Grenze“, „Indivi-
duum“ und „Staatlichkeit“ von Grund
auf verändern können. Den Auftakt
der Veranstaltung macht der renom-
mierte Politikwissenschaftler Prof.
Dr. Ranabir Samaddar (Mahanirban
Calcutta Research Group/Indien) mit
seinem öffentlichen Vortrag „Empire,
Globalisation and the Subject“ im
Kulturzentrum PFL. Zudem findet in
der Aula der Uni das Konzert „Night of
Global Music Player: Music Crossing
Borders” statt.
Veranstalter sind die Universitäten Ol-
denburgundGöttingen, dieUniversity
of the Witwatersrand (Johannesburg/
Südafrika) sowie das EMMIR Kon-
sortium.
.
Wann und Wo: Eröffnungsvortrag:
6.12., 18.00
Uhr, PFL;
Konzert: 7.12., 20.30 Uhr, Aula
Homo mobilis
Tagung zu Perspektiven der Migrationsforschung
Kein Fußball-Absurdistan: Die Deutsche Fußball-Liga regelt, welchen Anteil Investoren an Fußball-Clubs erwerben dürfen.
Foto: Photocase