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UNI-INFO
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olksgemeinschaft‘ vor Ort?“ Mit
dieser Fragestellung beschäftigt
sich eine Tagung, die vom 23. bis 25.
Februar im EWE-Forum Alte Fleiwa
stattfindet. Veranstalter ist das nieder-
sächsische Forschungskolleg „Natio-
nalsozialistische ‚Volksgemeinschaft’?
Konstruktion, gesellschaftliche Wir-
kungsmacht und Erinnerung vor Ort“,
an dem die Universitäten Oldenburg,
Göttingen, Hannover und Osnabrück
beteiligt sind. Tagungsleiter sind Prof.
Dr. Dietmar von Reeken und Jun.-Prof.
Dr. Malte Thießen, die zusammen mit
ihrem Team vom Institut für Geschichte
die Veranstaltung organisiert haben.
Ziel sei es, „den Blick auf die sozialen
Kontexte und Prozesse zu schärfen, in
denen sich die NS-Gesellschaft konsti-
tuierte“, so die beiden Historiker.
„Volksgemeinschaft“ ist die zentrale
Propagandaformel der nationalsozialis-
tischen Ideologie, die gleichermaßen so-
ziale Gerechtigkeit und nationale Erneu-
erung verspricht. Mit der Parole gelang
es den Nazis, erhebliche Schubkräfte in
der deutschen Gesellschaft freizuset-
zen und große Teile der Bevölkerung
zu mobilisieren. Wie inszenierten die
Nazis diese „Volksgemeinschaft“ und
wie wurde sie von den „Volksgenossen“
wahrgenommen und erfahren? Welche
sozialen, kulturellen, ökonomischen und
regionalen Rahmenbedingungen spielten
eine Rolle? Welche Folgen hatte die Vor-
stellung einer Volksgemeinschaft für die
Gesellschaft zurzeit der Naziherrschaft?
In welchem Verhältnis standen Propa-
ganda und soziale Praxis, nationale und
lokale Handlungsebenen?
NS-Volksgemeinschaft:
Konstrukt oder Realität?
Tagung zu Nationalsozialismus in niedersächsischen Städten und Regionen
Es sind Fragen wie diese, denen die
Tagung in Fallstudien exemplarisch
nachspüren will. In sechs Panels the-
matisieren WissenschaftlerInnen aus
Deutschland, Österreich, Israel und
Großbritannien die soziale Praxis in
Städten und Regionen Niedersachsens.
Dabei geht es um die NS-Justiz am
Beispiel Bremens, um Konstrukte der
„Volksgemeinschaft“ im Umfeld der
Konzentrationslager Bergen, Esterwe-
gen und Moringen, um die Machtreprä-
sentation in Gauhauptstädten wie Han-
nover, Oldenburg und Lüneburg, um
ländliche Lebenswelten im National-
sozialismus, um Rüstungsmobilisierung
in Wilhelmshaven und Salzgitter sowie
um Sport und konfessionelle Milieus
unter dem Hakenkreuz. (mr)
www.foko-ns.de
Ein neuer Bau
für die Forschung
Fortsetzung von Seite 1
W
ie hängen Populärkultur, Wis-
senschaft und Gesellschaft
zusammen? Die Frage untersuchte
die AG Populärkultur und Medien
der Gesellschaft für Medienwissen-
schaften (GfM) auf ihrer Jahresta-
gung „Pop/Wissen/Transfers“. Dazu
ein Interview mit den Veranstaltern
Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendör-
fer (Institut für Musik) und Prof. Dr.
Martin Butler (Institut für Anglistik/
Amerikanistik).
UNI-INFO: Welche Ergebnisse neh-
men Sie von der Tagung mit?
BUTLER: Die Dia-
gnose, dass das Wis-
sen über populäre
Kulturen sehr hete-
rogen und zugleich
fragmentarisch ist.
Denn den Gegen-
stand bearbeiten geistes-, kultur- und
sozialwissenschaftliche Disziplinen
mit ganz unterschiedlichen Erkenntnis-
interessen und Methoden. Und außer-
dem: Das Wissen über populäre Kul-
turen ist ja nicht nur wissenschaftliches
Wissen
−
auch der Fan weiß eine ganze
Menge. Mit der Tagung wollten wir
dazu beitragen, den Dialog zwischen
diesen Akteuren in Gang zu setzen.
UNI-INFO: Warum beschäftigt sich
Wissenschaft überhaupt mit Pop-
kultur?
BINAS-PREISENDÖRFER: Kultu-
relle Ausdrucksformen prägen unser
Leben tagtäglich und gestalten es mit.
Popkultur ist überall, auch im Leben
des Wissenschaftlers. Forschungen
zur populären Musik
existieren im angel-
sächsischen Raum
seit Ende der 1970er
Jahre. In Deutsch-
land beginnt ihre
akademische Veror-
tung ernsthaft erst seit den begin-
nenden 1990er Jahren. In Ost-Berlin
existierte allerdings schon seit Mitte
der 1980er Jahre das Forschungszen-
trum Populäre Musik.
UNI-INFO: Welchen popkulturellen
Phänomenen sind Sie konkret auf
der Spur?
BUTLER: Ich frage insbesonde-
re nach der Mobi l ität populärer
Kulturen im nordamerikanischen
Kontext und untersuche Prozesse
der „Hybridisierung“ – dabei kon-
zentriere ich mich in erster Linie
auf populäre Musik. Zudem inte-
ressieren mich Formen urbaner Po-
pulärkultur.
BINAS-PREISENDÖRFER: Ich
erforsche den Zusammenhang zwi-
schen Medien und populärer Musik;
darüber hinaus arbeite ich zu Fantum,
Jugendkulturen und Szenen sowie zur
Geschichte der Tonträgerformate, zu
Globalisierung, Migration und Trans-
kulturation im Bereich der populären
Musik.
DieFragenstellteMatthiasEchterhagen
Wissen über Popkultur
ist fragmentarisch
D
ie Zahlen alarmieren: 19 Prozent
der Kinder in der EU leben in Ar-
mut. 17 Prozent aller Europäer haben
nicht genug Mittel,
um ihre grundle-
gendsten Bedür f-
nisse zu erfüllen.
Das ber ichtet die
Europäische Kom-
mission „Beschäf-
t igung, Soz ia les
und Integrat ion“
auf ihrer Website. Wie dem Problem
beikommen? Ein neues internationales
Forschungsprojekt an der Universität
Oldenburg versucht eine Antwort zu
finden.
„Combating Poverty in Europe“, kurz
COPE, heißt das Projekt, das die Eu-
ropäische Kommission mit zwei Mil-
lionen Euro fördert. Die Koordina-
tion liegt beim Jean Monnet Centre
for Europeanisation and Transnational
Regulations Oldenburg (CETRO). „Wir
erhoffen uns neue Erkenntnisse, mit
deren Hilfe die Mindestsicherung in Eu-
ropa besser gewährleistet werden kann,
so dass weniger Menschen unter der
Armutsgrenze leben müssen“, erläutert
Prof. Dr. Martin Heidenreich (Foto),
Leiter des CETRO und Initiator von
COPE. Offizieller Projektstart ist am 1.
Februar, die Laufzeit beträgt zunächst
drei Jahre.
Die beteiligten ForscherInnen stam-
men aus Deutschland, dem Vereini-
gten Königreich, Italien, Schweden,
Polen und Norwegen. Sie wollen die
aktuelle Situation in Europa empirisch
untersuchen. Dafür vergleichen sie
nationale Armutspolitiken und Syste-
me zur Mindestsicherung. Außerdem
untersuchen sie die Rolle öffentlicher
Einrichtungen, Trägerorganisationen
und zivilgesellschaftlicher Organisati-
onen. „Wir möchten ein umfassendes
Bild der Teilhabechancen von armen
und sozial ausgegrenzten Menschen
in Europa zeichnen“, so Heidenreich.
„Dabei steht die Frage im Mittelpunkt:
Wie können Sozialhilfe und Arbeits-
losengeld II so gestaltet werden, dass
sie Armutsrisiken und die soziale Aus-
grenzung zum Beispiel von Migranten
und Langzeitarbeitslosen verringern?“
In der engen Rückbindung an die Praxis
sieht die Europäische Kommission den
Vorteil von COPE: „Das Projekt soll
nicht allein wissenschaftliche Standards
erfüllen, sondern auch den Diskurs über
praktische Lösungen flankieren“, sagt
Marc Goffart, zuständiger Kommissi-
onsbeamter der EU. „Deshalb begleiten
sozialpolitische Akteure unser For-
schungsprojekt auf der lokalen, natio-
nalen und europäischen Ebene.“
Schon bald kommen die Projektpartner
in Oldenburg zusammen: Ende Febru-
ar auf einer Auftaktkonferenz, um die
Weichen für die gemeinsame inhaltliche
Arbeit der nächsten drei Jahre zu stellen.
Es folgen Treffen in regelmäßigen Ab-
ständen, bei denen externe Sachverstän-
dige beratend zur Seite stehen. Im Januar
2015 endet das Projekt mit einer großen
Konferenz in Brüssel. Mal sehen, welche
Zahlen die Europäische Kommission
dann auf ihrer Website vermeldet. (me)
Armutsrisiken und soziale
Ausgrenzung verringern
EU bewilligt Forschungsprojekt „COPE“ / „Mindestsicherung gewährleisten“
Armut ist in Europa weit verbreitet. Im Forschungsprojekt COPE suchen Wissenschaftler
nach Lösungen.
Foto: photocase
Prof. Dr. Wer ner Damm. Bi rger
Kollmeier ist unter anderem Leiter der
Abteilung Medizinische Physik, Spre-
cher des Zentrums für Hörforschung
und des Kompetenzzentrums Hörge-
räte-Systemtechnik (HörTech). Reto
Weiler, Geschäftsführender Direktor
des Forschungszentrums Neurosenso-
rik, leitet die Arbeitsgruppe Neurobio-
logie. Der Informatiker Werner Damm,
Direktor des Forschungszentrums Si-
cherheitskritische Systeme, ist zudem
Sprecher des Sonderforschungsbereichs
(Transregio) „Automatic Verification
and Analysis of Complex Systems“
(AVACS).
In dem Neubau NeSSy geht es den bei-
den Forschungszentren Neurosensorik
und Sicherheitskritische Systeme künftig
darum, interdisziplinäre Grundlagen-
forschung und angewandte Forschung
voranzutreiben und mit einem Konfe-
renzzentrum die Kommunikation zwi-
schen den WissenschaftlerInnen zu un-
terstützten. ImMittelpunkt der Arbeiten
stehen innovative Entwicklungen der
Medizintechnik und der Mensch-Ma-
schine-Kommunikation. Die Hälfte der
Nutzfläche ist für Labore vorgesehen:
Akustik- bzw. Hör-Labore, ein Virtual
Reality/Usability Labor, Neurophysio-
logie-Labore für Magnetresonanztomo-
graphie, Magnetenzephalographie und
bildgebende Verfahren. Vier Arbeits-
gruppen aus beiden Zentren werden hier
Platz finden: die „Medizinische Physik“
und „Signalverarbeitung“ sowie eine
Neuro-Psychologie- und eine ingenieur-
wissenschaftliche Arbeitsgruppe.
Das Stuttgarter Architektenbüro Heinle,
Wischer und Partner hat den Neubau
entworfen. Die Gesamtkosten inklusive
Ersteinrichtung belaufen sich auf circa
15 Millionen Euro, die jeweils zur Hälfte
von Bund und Land getragen werden.
Die Fertigstellung ist für Juni 2013 ge-
plant. (mr)
Ambivalenzen
der Aufklärung
M
it dem Vortrag „‚Über die bür-
gerliche Verbesserung der Juden’
(1781) und die Ambivalenzen der Auf-
klärung“ setzen das Leo Trepp-Lehr-
haus und die Universität Oldenburg
ihre gemeinsame Vortragsreihe fort.
Referentin ist die Historikerin Prof. Dr.
Dagmar Freist. Sie befasst sich mit der
Schrift Christian Wilhelm von Dohms
(1751 – 1820) sowie mit anderen Stim-
men zur „bürgerlichen Verbesserung
der Juden“. Dabei wird sie auch über
den Oldenburger Herzog Peter Friedrich
Ludwig (1755 – 1829) sprechen.
Wann: 9. Februar, 19.00 Uhr
Wo: Bibliothekssaal