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UNI-INFO
40. Jrg. 4/13
Herausgeber:
Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky Universität
Oldenburg
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UNI-INFO erscheint in der
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Redaktionsschluss: 15. des Vormonats.
Mit Namen gekennzeichnete Artikel
geben nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion, sondern die persönliche
Meinung der VerfasserInnen wieder.
H
ohe Energieeffizienz, Platz für
eine 35-köpfige Besatzung und
40 ForscherInnen: Das Tiefseefor-
schungsschiff „Sonne“ verfügt über
modernste Technik und Möglich-
keiten, den Einfluss des Meeres auf
unser Klima zu untersuchen. Nun
steht der künftige Heimathafen der
„Sonne“ fest: Ab 2015 wird sie fest in
Wilhelmshaven stationiert sein – um
von hier aus in die Haupteinsatzge-
biete aufzubrechen, den Indischen
und Pazifischen Ozean.
Mitte April hat Bundesforschungs-
ministerin Prof. Dr. Johanna Wan-
ka in Papenburg die Kiellegung der
Sonne vorgenommen – gemeinsam
mit VertreterInnen des Landes Nie-
dersachsen und der Meyer Werft.
„Mit Wilhelmshaven als Heimathafen
der ‚Sonne’ wird deutlich, wie gut
die Meeres- und Klimaforschung im
Land inzwischen wahrgenommen
wird“, sagte die Niedersächsische
Wissenschaftsministerin, Gabriele
Heinen-Kljajic.
Die Wahl Wilhelmshavens als Hei-
mathafen liegt nahe: Dort befindet
sich auch das Forschungszentrum
Terramare des Instituts für Biologie
und Chemie des Meeres (ICBM).
Mehrere Fahrtanträge von ICBM-
WissenschaftlerInnen sind bereits
genehmigt. Der Bau des Forschungs-
schiffs kostet 124,4 Millionen Euro.
90 Prozent trägt der Bund, zehn Pro-
zent kommen von den Küstenlän-
dern Niedersachsen, Mecklenburg-
Vorpommern, Schleswig-Holstein,
Hamburg und Bremen.
Tiefseeforschungsschiff
„Sonne“ auf Kiel gelegt
Wilhelmshaven wird im Jahr 2015 Heimathafen
Carl von Ossietzky
(1889-1938) be-
gann seine journa-
listische Laufbahn
vor dem Ersten
Weltkrieg in Ham-
burg. 1927 wurde
er als Nachfolger
Kurt Tucholskys
Herausgeber der
links-intellektuellen
Wochenzeitschrift
„Die Weltbühne“.
Bereits kurz nach
der Machtergrei-
fung internierten
ihn die Nationalso-
zialisten wegen seines vehementen
Einsatzes für Demokratie und Frieden
unter anderem imKonzentrationslager
Esterwegen. Die weltweite Kampagne
zur Verleihung des Friedensnobel-
preises an den KZ-Häftling veran-
lasste das Nazi-Regime, ihn 1936 zu
entlassen. Am 23. November 1936
wurde Carl von Ossietzky rückwir-
kend der Friedensnobelpreis des Jah-
res 1935 zugesprochen. Die Gestapo
lehnte es jedoch ab, Ossietzky zur
Entgegennahme des Preises nach Oslo
reisen zu lassen. Zwei Jahre später
starb er in Berlin an
den Folgen seiner
Haft. Er hinterließ
seine Frau Maud
und seine Toch-
ter Rosalinda, die
über England nach
Schweden hat te
emigrieren können.
Mit der Namensge-
bung nach Carl von
Ossietzky wollten
die Oldenburger
Universitätsgrün-
der deutlich ma-
chen, dass Wissen-
schaft gegenüber
der Gesellschaft Verantwortung trägt
und sich dem öffentlichen Diskurs
stellen muss. Es sollte fast 20 Jah-
re dauern, bis der Niedersächsische
Landtag den Weg für den Namen Carl
von Ossietzky Universität Oldenburg
freimachte. Am 3. Oktober 1991, dem
Geburtstag Ossietzkys, fand der Fest-
akt zur Namensgebung mit Minister-
präsident Gerhard Schröder statt. Er
entschuldigte sich bei Rosalinda von
Ossietzky-Palm dafür, „was das Land
Niedersachsen dem Namen ihres Va-
ters angetan hat“.
Carl von Ossietzky
K
ürschners Volkshandbuch beglei-
tet die Arbeit des Bundestags seit
60 Jahren. Es enthält unter anderem
die Kurzbiographien der gewählten
Bundestagsabgeordneten. Die von ih-
nen selbst verfassten Texte sind durch-
schnittlich gut 100 Wörter lang. Was
verraten sie über die politische Veror-
tung der PolitikerInnen? Dr. Markus
Tepe, Junior-Professor für Positive Poli-
tische Theorie / Politische Ökonomie an
der Universität Oldenburg, und Dr. Ka-
mil Marcinkiewicz, Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für Soziologie
der Universität Hamburg, sind dieser
Frage mit Mitteln der quantitativen
Textanalyse nachgegangen.
Unter dem Titel „Positionen, Frakti-
onen und Mandate“ haben sie ihre For-
schungsergebnisse jetzt in der „mda –
methoden, daten, analysen. Zeitschrift
für Empirische Sozialforschung“ veröf-
fentlicht. Für ihre Studie haben die Wis-
senschaftler die Kurzbiographien aller
622 Abgeordneten des 17. Deutschen
Bundestags untersucht. Als Teil der poli-
tischen Selbstdarstellung richten sich die
Texte an WählerInnen, JournalistInnen,
andere Delegierte und LobbyistInnen –
Adressaten also, die einen maßgeblichen
Einfluss auf die politische Karriere der
Abgeordneten haben.
Die Kürze des Textes zwingt die Ver-
fasser zu einer verdichteten Sprache und
den Gebrauch von Signalwörtern. Um
die politischen Position herauszufinden,
die die Abgeordneten im Spektrum des
Parlaments einnehmen, haben die Wis-
senschaftler die Wortwahl analysiert.
Dabei griffen sie auf eine ideologische
Links-Rechts-Skala zurück, die ökono-
mische wie gesellschaftliche Themen
umfasst. Hier sind die Abgeordneten
einer Fraktion ideologisch in der Regel
relativ nah beieinander positioniert.
Die höchste Heterogenität erzielen die
Grünen, die niedrigste die CDU. Doch
die Trennlinie verläuft nicht entlang
der Fraktionszugehörigkeit, sondern
entlang zweier sozi-kultureller Milieus:
dem bürgerlich-konservativen und dem
links-sozialen.
Über die Parteigrenzen und Milieus
hinweg konnten die Wissenschaftler
deutliche Unterschiede zwischen den
Abgeordneten feststellen, die über ei-
nen Listenplatz ins Parlament gezo-
gen sind und über ein Direktmandat.
WahlkreiskandidatInnen benutzen ein
anderes Vokabular als ihre Fraktions-
kollegInnen. Erstere legen besonderen
Wert auf enge Beziehungen zur lokalen
Wählerschaft und betonen Aktivitäten
in ihrem Wahlkreis.
„Die quantitative Textanalyse ist fle-
xibel genug, um Fragen jenseits der
klassischen Parteienanalyse zu betrach-
ten“, resümiert Tepe. Allerdings sei es
wenig sinnvoll, sie als Alternative zur
qualitativen Inhaltsanalyse zu betrach-
ten. „Mit der quantitativen Textanalyse
können Regelmäßigkeiten und systema-
tische Unterschiede im Vokabular der
Kurzbiographien beschrieben werden.
Ein qualitatives Vorgehen kann dazu
beitragen, die Genese dieser Texte und
vor allem die Motive ihrer Verfasser zu
beschreiben.“ (mr)
Markus Tepe und Kamil Marcinkiewicz:
„Positionen, Fraktionen undMandate: Eine
Anwendung der quantitativen Textanalyse
auf die Kurzbiographien der Abgeordneten
des 17. Deutschen Bundestages“, in: mda -
methoden, daten, analysen. Zeitschrift für
Empirische Sozialforschung , Jg. 6, Heft 2,
S. 99-132.
zeitschriften/mda
Signalwörter und
verdichtete Sprache
Kurzbiographien von Politikern analysiert
Praxismarkt
mit Jobmesse
M
it einem Vortrag zur Bedeutung
des Lifelong Learnings leitet die
Weiterbildungsexpertin Prof. Dr. Anke
Hanft den 2. Fach- und Praxistag der
Bildungs- und Sozialwissenschaften
ein. Die Veranstaltung soll die Koo-
peration zwischen der Universität und
regionalen Institutionen vertiefen – vor
allem, wenn es um außerschulische
pädagogische und sozialwissenschaft-
liche Tätigkeitsfelder geht. Etwa 30 Ein-
richtungen stellen ihre Leistungen auf
einem „Praxismarkt“ vor. Studierende
wie AbsolventInnen können sich über
Arbeitsangebote informieren: unter an-
derem in sonder-, rehabilitations- oder
sozialpädagogischen Einrichtungen
der Region. Dazu gibt es Fachvorträge
und eine Vorstellung der Bachelor- und
Masterstudiengänge in den Bereichen
Pädagogik, Sonder- und Rehabilitati-
onspädagogik und Sozialwissenschaf-
ten. Der Eintritt zu der Veranstaltung
ist frei.
/
studium/praxisfeld-bildungs-
und-sozialwissenschaften/
veranstaltungsangebot/
Wann: 5. Juni, 10.00 bis 17.00 Uhr,
Praxismarkt ab 14.00 Uhr
Wo: Bibliothekssaal: Eröffnung,
Foyer A14: Praxismarkt
V
or 75 Jahren, am 4. Mai 1938, starb
Carl von Ossietzky, einer der pro-
filiertesten Publizisten der Weimarer
Republik. Die Universität Oldenburg
trägt seit 1991 seinen Namen – und
musste dafür fast 20 Jahre kämpfen.
Welche Bedeutung hat Ossietzky heu-
te – für die Gesellschaft, aber auch
für die Angehörigen der nach ihm
benannten Universität Oldenburg? Ein
Gespräch mit der Historikerin und Vi-
zepräsidentin Prof. Dr. Gunilla Budde.
UNI-INFO: Frau Budde, welche Be-
deutung hat der Name Ossietzkys für
die Universität von heute?
BUDDE: Als man bald nach der Grün-
dung unserer Universität diesen Namen
erwog und dann auch jahrzehntelang für
ihn kämpfte, war man sich der Verant-
wortung sehr wohl bewusst, die man mit
dieser Wahl übernahm. Dies hieß, den
Bildungsauftrag ernst zu nehmen und
weit zu fassen und über die Grenzen der
Universität hinaus in die Gesellschaft
hinein im besten Sinne „aufklärend“ zu
wirken. Dies bedeutete auch, seine Ideale
zu leben und beherzt zu verteidigen, aber
auch kritisch zu reflektieren und öffent-
lich zu diskutieren. All dies sind Eigen-
arten unserer noch jungen, dynamischen
Universität, die auch 40 Jahre nach ihrer
Gründung ungebrochen gelten.
UNI-INFO: Ossietzky steht für Zivil-
courage und gesellschaftliches Enga-
gement. Was kann die Universität dafür
tun, um Ossietzkys Anspruch gerecht
zu werden und seine Gedanken weiter
zu tragen?
BUDDE: In der Tat hat es Ossietzky
gewagt, in Zeiten laut „nein“ zu sagen,
in denen dies das Leben kosten konnte.
Dies zeugte vor dem Hintergrund einer
mörderischen Diktatur für eine beson-
dere Ausprägung von Zivilcourage und
zivilgesellschaftlichem Engagement.
Aber – dies erfahren wir täglich – auch
im 21. Jahrhundert sind Demokra-
tien fragile Gebilde, sind humanitäre
Grundrechte bedroht und es bedarf
Menschen, die sich mit Leib und Seele
dafür einsetzen. Aber demokratische
Gesellschaften leben und überleben
auch dank kleiner beherzter Schritte
und offener Worte. Ossietzky war nicht
zuletzt auch vehementer Verfechter
einer kritischen Öffentlichkeit. Schaut
man in Ossietzkys „Weltbühne“, was
ich nicht nur meinen Geschichtsstudie-
renden empfehle, kann man sein Credo
Kritischer Öffentlichkeit
ein Forum geben
Was Carl von Ossietzky für die Universität von heute bedeutet /
Interviewmit der Historikerin Gunilla Budde zum 75.Todestag des Namensgebers
heraushören: „Lob den Außenseitern“,
„Kampf der Denkfaulheit“, „zurück
zur Menschlichkeit“, „Einsatz für die
Freiheit“, „wir wollen weiter“ sind im-
mer wiederkehrende Stichworte, die ihn
bewegten und mit denen er aufrütteln
wollte. Zu viele seiner Zeitgenossen
hatten sich da längst in die „innere
Emigration“ verabschiedet. Auch eine
Universität darf sich nicht in eine Elfen-
beinturmexistenz zurückziehen. Eine
Universität hat nicht zuletzt die wichtige
Aufgabe, einer kritischen Öffentlichkeit
ein Forum zu geben, sich gegenüber
Querdenkern und kreativen Köpfen
aufgeschlossen zu zeigen, ihnen Raum
zu schaffen und zu wahren, sich Fragen
der Zeit zu stellen und überdies einen
freimütigen Dialog in den Hörsälen
und Seminarräumen, aber auch über
die Unigrenzen hinaus zu pflegen, zu
fördern und zu beflügeln.
UNI-INFO: Der Streit um die Namens-
gebung liegt lange zurück, die Zahl
der Universitätsbediensteten, die ihn
miterlebt haben, wird immer kleiner.
Wie hoch schätzen Sie die Wirkung der
Namensgebung nach Innen ein?
BUDDE: Im Nachhinein zeigt sich,
dass gerade die Tatsache, dass so lan-
ge um den Namen gerungen werden
musste, seinen Weg ins kollektive Ge-
dächtnis der Universität ebnen geholfen
hat. Hinzu kommt, dass wir durch re-
gelmäßige Gedenkveranstaltungen, mit
Dauerausstellungen und durch Semi-
nare und Qualifikationsarbeiten an den
Namenspaten und seinen Wertekodex
erinnern. Sicherlich könnten wir hier
künftig noch phantasievoller und nach-
haltiger sein, neue und zeitgemäßere
Formate des Erinnerns hinzufügen.
Dennoch habe ich den Eindruck, dass
in unserer Universität ein besonderer
Geist des engagierten Miteinanders
sehr lebendig ist, eine Atmosphäre des
produktiven Austausches herrscht, die
zumindest mittelbar von dem Namens-
paten inspiriert sein könnte und sicherlich
Carl von Ossietzky sehr behagt hätte.
Interview: Corinna Dahm-Brey
Gunilla Budde:„Universität darf sich nicht in Elfenbeinturmexistenz zurückziehen.“
Foto: Universität