Presse & Kommunikation

Mit einem Sarfatti-Telegraphen zurück in die Vergangenheit?

Von Jürgen Parisi und Otto E. Rössler

 

Ein alter Menschheitstraum als physikalische Realität?

Lukas Cranachs „Jungbrunnen“.

Oldenburg. Wäre es nicht schön, mit Überlichtgeschwindigkeit zu kommunizieren? Dieser Traum wird nach Meinung von Jack Sarfatti durch die Quantenmechanik realisierbar. Wir sind skeptischer, finden aber im Moment kein Haar in der folgenden Suppe, die streng nach den Vorschriften der Quantenmechanik gekocht zu sein scheint.

Welcher Physiker hätte nicht schon versucht, ein Schema für einen Einstein-Telegraphen anzugeben? Dabei kommt es vor allem auf leichte Widerlegbarkeit an, entweder theoretisch oder experimentell oder beides. In der Quantenmechanik gibt es so genannte korrelierte Photonen, die wie telepathisch verbundene Zwillinge bei gleicher experimenteller Anordnung immer haargenau dasselbe machen, und bei leicht verschiedener experimenteller Anordnung verraten, dass sie über das Resultat der anderen Seite informiert sind. Die Mathematik dazu ist die aus dem Malusschen Kosinusquadratgesetz von 1805 abgeleitete berühmte Bellsche Ungleichung.

Vereinfachtes Schema eines Experiments mit korrelierten Photonen auf der Basis von zwei halbversilberten Spiegeln (½ S). Die Weglängen dürfen beliebig stark verschieden sein. Die beiden Lichtwege im Mach-Zehnder-Interferometer rechts sind gleich lang, sodaß eine konstruktive Interferenz unabhängig von der Photonenfrequenz vorliegt (100 % bzw. 0 % zum Beispiel). Die Messung links liefert automatisch Pfadinformation über die rechte Seite und sollte daher die Interferenz zerstören (entsprechend 50 % oben und 50 % unten). Das entspräche einer Fernwirkung.

Der Vorschlag benutzt, anders als in den meisten Fällen von Bell-Experimenten, nicht Polarisatoren zur Korrelationsmessung, sondern halbdurchlässige Spiegel - ähnlich wie im 11-Kilometer-Experiment von Ghisin in Genf. Das Schema des Experiments ist in obiger Abbildung angegeben. Die Quelle produziert Photonenzwillinge, die im Moment der Emission noch pluripotent sind, d.h. nicht in ihren individuellen Eigenschaften festgelegt (nur der Gesamtspin ist Null). Links werden sie durch einen halbdurchlässigen Spiegel getrennt und nach kurzer Wegstrecke in Detektoren abgeführt, wobei sie brav mit gleicher Wahrscheinlichkeit in die beiden Messkörbe fallen. Rechts ist der Weg länger - das ist die erste Raffinesse. Wegen der Symmetrie ihrer Eigenschaften zu denen der links gemessenen Photonen kann man daher sicher wissen, welchen Weg sie nach dem ersten halbversilberten Spiegel genommen haben. Andererseits ist der Strahlengang rechts so raffiniert gestaltet, dass man - wäre die rechte Seite allein - sicher sein könnte, dass fast alle Photonen sich am oberen Detektor einfinden. Denn der aus einem Mach-Zehnder-Interferometer herauskommende Strahl ist wieder perfekt rekonstruiert: 100 Prozent ins obere Körbchen.

Die „Kollision“ besteht darin, dass wir zusätzlich wissen, welchen Weg die Photonen im Mach-Zehnder-Interferometer rechts genommen haben. Beide Arten von Wissen überschreiten zusammengenommen das Maß dessen, was die Quantenmechanik erlaubt. Es muss also entweder irgendwo ein Fehler sein oder die Quantenmechanik verlangt, dass rechts auch 50 Prozent in jeden Kasten fallen. Damit wäre ein Weg gefunden, wie eine Messung, die links stattgefunden hat, mit Überlichtgeschwindigkeit rechts einen messbaren Effekt verursacht.

Wo könnte der Wurm sein? Der Kollimator - das den Strahl rechts einengende Loch - ist möglicherweise der Schwachpunkt. Wenn er genügend eng ist, zerstört er die Spiegelkorrelation der Photonen im Paar. Das verbleibende quantitative Problem besteht darin, zu zeigen, dass wirklich überhaupt kein Resteffekt übrig bleibt. Dass also alle Interferenz (Differenz zwischen oben und unten), die rechts auftritt, durch unkorrelierte Photonen verursacht ist. Denn ein einziges verbleibendes Prozent korrelierter Photonen würde für einen wirksamen Telegrapheneffekt vollauf genügen, da die Strahlhelligkeit im Prinzip beliebig groß gemacht werden kann.

Bisher hat in allen ähnlichen Fällen das Kleingedruckte in der Quantenmechanik immer alle Hoffnungen wieder zunichte gemacht. Ebenso ist es wahrscheinlich in diesem Fall. Doch wenn wir einmal den unwahrscheinlichen Fall annehmen, dass hier wirklich eine Kollision zwischen Quantenmechanik und Relativität besteht, was wären die Folgen? Nach Meinung einiger Physiker (wie Günter Nimtz) würde ein funktionierender Einstein-Telegraph bedeuten, dass man Nachrichten in die eigene Vergangenheit schicken könnte. Das wäre etwas, das auch Geisteswissenschaftler in Aufregung versetzen könnte..

 

 

Kontakt: Prof. Dr. Jürgen Parisi, Tel.: 798-3541, E-Mail: juergen.parisi@uni-oldenburg.de