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UNI-INFO Erstsemester extra
In einer größeren Runde von Jour-
nalisten und Schriftstellern in Berlin
fiel er kaum auf, dieser eher kleine
Mann mit der leisen Stimme und der
gebeugten Haltung. Aber wenn er
schrieb, wurde sichtbar, was in ihm
steckte.
Carl von Ossietzky (1889-1938),
überzeugter Demokrat und Pazifist,
war 1927 Chefredakteur der links-
intellektuellen Wochenzeitschrift
„Die Weltbühne” geworden und von
den Gegnern der Weimarer Republik
besonders gefürchtet. Es gab kaum
ein politisches Thema der kranken
Republik, das er nicht aufgegriffen
hätte. Dazu gehörten auch seine Ein-
schätzungen der Nazi-Bewegung,
deren Gefahren er früh erkannte
und scharfsinnig analysierte. Kein
Wunder, dass er bereits kurz nach
Hitlers Machtantritt verhaftet und als
„Moorsoldat” imKonzentrationslager
Esterwegen interniert wurde.
Als die Welt auf den Nazi-Gegner auf-
merksam geworden war und ihm 1936
nach großen Aufklärungskampagnen
in Amerika und Europa der Friedens-
nobelpreis zuerkannt wurde, durfte
er das KZ verlassen. Die noch heute
weltweit höchste Auszeichnung konnte
er jedoch nicht entgegen nehmen. Nach
seiner KZ-Haft ließen ihn die Nazis
zusammen mit seiner Frau in einem
kleinen Berliner Sanatorium wohnen.
Dort starb er 1938 – ständig bewacht
von der Gestapo – an den Haftfolgen.
Als 1973 die Universität Oldenburg
gegründet wurde, waren es Studie-
rende, die vorschlugen, die Hoch-
schule nach Carl von Ossietzky zu
benennen. Und sie fanden große Zu-
stimmung innerhalb der Universität.
Die Namensgebung sollte Ausdruck
für das gesellschaftliche Engage-
ment sein, das sich die Universität
auf ihre Fahnen geschrieben hatte.
Als Reformhochschule wollte sie
heraus aus dem Elfenbeinturm und
die Wissenschaften zum Teil der de-
mokratischen Gesellschaft machen.
Mitbestimmung, Projektstudium und
Verantwortung der Wissenschaft für
die gesellschaftliche Entwicklung
waren die heiß diskutierten Themen.
Daraus entwickelte sich einer der
großen Schwerpunkte der Universität,
die Umweltforschung.
Außerhalb der Universität indes stieß
die Namensgebung nicht so schnell
auf ungeteilte Zustimmung. Fast 20
Jahre brauchte es, bis der Nieder-
sächsische Landtag den Weg für den
Namen Carl von Ossietzky Universi-
tät Oldenburg freimachte.
Namensgeber der Uni
Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky
„Es geht nirgends bunter zu als auf der
Welt“, verkündete einst Horst Janssen,
Ehrenbürger der Stadt und einer der
berühmtesten Zeichner und Grafiker
Deutschlands. Damit hat das künstle-
rische Enfant terrible, das 1995 starb,
natürlich recht. Aber es scheint, dass
es in Oldenburg vielleicht noch ein
bisschen bunter zugeht als im Rest der
Welt. Der Beweis: Ein Streifzug durch
das Kultur- und Freizeitangebot, das
Oldenburg zu einer lebens- und liebens-
werten Stadt macht.
Erste Station ist der Schlossplatz. Vis
á vis des Oldenburger Schlosses steht
das „Schlaue Haus“ – ein Haus für die
Wissenschaft: Ein denkmalgeschütztes
Bürgerhaus aus dem 16. Jahrhundert,
das komplett entkernt und um einen
lichtdurchfluteten Neubau erweitert
und im vorletzten Jahr eröffnet wurde.
Die Idee zum „Wissenschaftshaus“
entstand, als Oldenburg „Stadt der
Wissenschaft“ war. Der Stifterverband
für die Deutsche Wissenschaft verlieh
den Titel 2009. Unter dem Leitthema
„Talente, Toleranz und Technologie“
präsentierte sich Oldenburg als „Über-
morgenstadt“ und stellte unter Beweis:
Hier gibt es einen attraktiven Wissen-
schaftsstandort, der es mit den traditi-
onellen Universitätsstädten aufnehmen
kann. Heute bietet das „Schlaue Haus“,
das von der Universität und der Jade
Hochschule getragen wird, fast täg-
lich allgemeinverständliche Vorträge,
Diskussionen und Veranstaltungen zu
aktuellen Forschungsthemen.
Das Oldenburgische Staatstheater ist die
größte Kultureinrichtung Oldenburgs.
Das Sechssparten-Haus genießt einen
hervorragenden Ruf. Dieses Jahr wird
es äußerst spannend für sein Publikum:
Christian Firmbach übernimmt im
Herbst die Intendanz und sorgt für neu-
en kreativen Wirbel. Er bringt 40 neue
Ensemblemitglieder aus 15 Nationen
mit nach Oldenburg. Und natürlich wird
es in der Spielzeit 2014/15 jede Menge
Premieren geben. Im Schauspiel stehen
unter anderemArthur Millers „Alle mei-
ne Söhne“ und Theateradaptionen von
Literaturklassikern wie Goethes „Die
Leiden des jungen Werthers“ oder Tho-
mas Manns „Buddenbrooks“ auf dem
Programm. In der Sparte Musik setzen
unter anderem die Opern „Der Idiot“
von Mieczysław Weinberg oder Verdis
„Falstaff“ neue Akzente.
Junges, wildes und experimentelles
Theater präsentiert das Staatstheater
verstärkt in der Exerzierhalle am Pfer-
demarkt. Dort wird unter anderem die
österreichische Tragikkomödie „Indien“
gespielt – und zwar nicht auf der Büh-
ne, sondern im Gastronomiebereich.
So lässt sich ideal ein Abend an der
Bar mit Theater verbinden. Egal, für
welches Stück man sich entscheidet:
Ein Besuch im Staatstheater lohnt sich
immer. Vor allem während des Thea-
terCampus. Studierende können dann
jede Vorstellung für fünf Euro besuchen
und in Workshops einen Blick hinter die
Kulissen werfen. Und wem das alles
noch nicht genügt, dem sei die „Sparte
Sieben“ empfohlen, die Firmbach und
sein Ensemble ins Leben rufen. Diese
setzt sich aus verschiedenen kreativen
und auch – bringen wir es ruhig auf den
Punkt – durchgeknallten Theaterpro-
jekten zusammen und verspricht Pop-
kultur „schamlos und auf Augenhöhe“.
Man darf gespannt sein, was sich hinter
Projekten wie dem „Bürgertheater“, der
„Bingo-Bongo-Bude“ oder „Melodien
für Moneten“ versteckt. Mehr Theater
gibt es im hof/19 und im Theater La-
boratorium. Letzteres ist mit seinem
Puppentheater und eigenwilligen In-
szenierungen eines der erfolgreichsten
Privattheater in Niedersachsen.
Das Literaturbüro Oldenburg schlägt
die Brücke zur modernen Literatur und
veranstaltet neben Lesungen auch Po-
etry-Slams oder spartenübergreifende
Grenzgänge aus Literatur und Musik.
Einer der Höhepunkte ist die jährlich
stattfindende „LiteraTour Nord“, die
in Kooperation mit der Universität
durchgeführt wird. Von Oktober bis
Februar lesen sechs SchriftstellerInnen
der deutschsprachigen Gegenwartslite-
ratur aus ihren Neuerscheinungen und
bewerben sich um den mit 15.000 Euro
dotierten „Preis der LiteraTour Nord“.
In den letzten Jahren nahmen unter
anderem die spätere Nobelpreisträgerin
Hertha Müller und Autoren wie Arno
Geiger, Helmut Krausser oder Juli Zeh
an der Lesereise durch Norddeutsch-
land teil.
Konzerte, Kino, Theater, Kabarett und
Kleinkunst gibt es in der Oldenburger
Kulturetage. Dessen Team organisiert
auch den Oldenburger Kultursommer,
der die Innenstadt zur Bühne macht.
Das Ganze natürlich „umsonst und
draußen“. Lokale Bands, aber auch
Szenegrößen sind zu Gast in Clubs wie
dem Polyester, der Umbaubar oder dem
Alhambra, einem der größten selbstver-
walteten Aktions- und Kommunikati-
onszentren in Deutschland.
Das Filmfest Oldenburg lockt jeden
Herbst internationale Filmstars an
und zählt zu den größten deutschen
Filmfestivals für Independent-Filme.
Mancher Kritiker hat durchaus schon
den Vergleich zum renommierten ame-
rikanischen „Sundance-Filmfestival“
gezogen. Ein großer Erfolg im vergan-
genen Jahr war das Freifeld-Festival.
Eine Neuauflage ist vom 22. bis 24.
Kreativer Wirbel, Grenzgänge und experimentelles Theater
Kulturelles Leben in Oldenburg: ein Streifzug durch die Szene – nicht nur für Neu-Oldenburger ein Genuss
Auf dem aktuellen Spielplan des Staatstheaters: „Indien“
August in der Kaserne Donnerschwee
geplant. Der kreative Überfluss und
der künstlerische Exzess des Freifeld-
Festivals hätten bestimmt auch Horst
Janssen gefallen.
Ihm zu Ehren errichtete Oldenburg
das Horst-Janssen-Museum.Ein breites
Spektrum aus den verschiedensten Epo-
chen bietet das Landesmuseum für Kunst
und Kulturgeschichte. Der Kunstverein
Oldenburg hat sich der modernen Kunst
verschrieben, und das Landesmuseum
Natur und Mensch beherbergt Samm-
lungen zur Naturkunde, Archäologie und
Völkerkunde. Das Stadtmuseum präsen-
tiert Exponate der Lokal- und Regional-
geschichte. Ein absoluter Geheimtipp für
avantgardistische Medienkunst ist das
Edith-Ruß-Haus.
Und wer nach all der Kunst und Kultur
ein bisschen Erholung braucht, der kann
sie auf einer Radtour ins Grüne bekom-
men. Schließlich ist auch „Grün“ ein
Bestandteil von „Bunt“. (tk)
UNI-BLICKE
40 Jahre Uni Oldenburg: Eindeutig erwachsen – aber auch ein bisschen quer.
Seit dem 5. Dezember 1973 ist in Ol-
denburg nichts mehr, wie es war. An
diesem Tag tritt das vom Niedersäch-
sischen Landtag beschlossene Gesetz
zur Gründung der Universität Olden-
burg in Kraft. Der Schritt sollte das
Hochschulsystem ausweiten – und die
damals strukturschwache Nordwest-
Region stärken. Ob der Schritt gelingen
würde, war im Frühjahr 1974 noch
nicht abzusehen: Der Lehrbetrieb be-
ginnt mit 23 Studiengängen für 2.400
Studierende. 40 Jahre später sind es 95
Studiengänge mit knapp 13.000 Studie-
renden. Was ist in den vier Jahrzehnten
passiert? Wie ist die Universität zu dem
geworden, was sie heute ist? Und was
Die Uni feiert Geburtstag
40 Jahre Uni Oldenburg / Viele Veranstaltungen und Geburtstagsportal
sind die Projekte, die Ideen von morgen?
„Universität Oldenburg – 40 Jahre
offen für neue Wege“: Unter diesem
Motto begeht die Universität in diesem
Jahr ihren Geburtstag. Und feiert ihn
mit über 300 Veranstaltungen. Dabei
gibt es für jeden Geschmack etwas:
WissenschaftlerInnen der Uni stellen
ihre Lieblingsfilme vor, kochen für Gä-
ste ihre Lieblingsgerichte oder halten
spannende Vorträge. Studierende gestal-
ten eine Ausstellung zum Thema „Was
wäre die Stadt ohne die Universität?“,
die ab November im „Schlauen Haus“
zu sehen ist.
Ein Blick ins Programm lohnt sich.
Das gibt es natürlich auch online auf
dem eigens eingerichteten Geburts-
tagsportal. Die meisten Klicks hat dort
übrigens die Rubrik „40 Jahre, 40 Men-
schen“. Sie verraten, welchen Ort auf
dem Campus sie besonders mögen,
mit wem sie gerne mal in der Mensa
sprechen würden – oder wie die Uni
wohl in zehn Jahren sein wird. Die
Mathematikstudentin Lisa Mai Onkes
hat darauf eine einfache Antwort: „1
2
+
7
2
= 5
2
+ 5
2
Jahre alt! Das ist die kleinste
Zahl, die auf zwei verschiedene Arten
als Summe zweier Quadrate natürlicher
Zahlen geschrieben werden kann – für
die Uni Oldenburg zwar nicht wichtig,
aber mathematisch unglaublich schön
zu sehen.“