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Computermodell des Gehörs
Ein neues, quantitatives Computermodell der „effektiven“ Signalverarbeitung im menschlichen Gehör ist an der Universität Oldenburg entwickelt worden. Dadurch ist es erstmalig möglich, verschiedene Funktionen des Gehörs mit einem einzigen Modell nachzubilden Das Modell wurde von dem Physiker Dr. Torsten Dau im Rahmen seiner Doktorarbeit „Modeling auditory processing of amplitude modulations“ entwickelt. In Anerkennung seiner Arbeit wurde Dau der diesjährige Lothar-Cremer-Preis der Deutschen Gesellschaft für Akustik - ein mit 3.000 Mark dotierter Förderpreis für junge Wissenschaftler - verliehen.„Das Modell konnte bereits erfolgreich für die künstliche Spracherkennung und die Erfassung der Sprachübertragungsqualität von Mobiltelefonen eingesetzt werden“, kommentierte Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, Doktorvater des Preisträgers und Dekan des Fachbereichs Physik. Mit der Preisverleihung werde erneut die Spitzenstellung der Oldenburger Hör- und Akustikforschung im internationalen Maßstab gewürdigt.
Der 1965 geborene Dau, der in Hannover Maschinenbau und an der Universität Göttingen Physik studierte, hat an der Universität Oldenburg 1996 promoviert und ist hier in den Arbeitsgruppen „Medizinische Physik“ und „Akustik“ am Fachbereich Physik und im Sonderforschungsbereich „Neurokognition“ tätig. Trotz verlockender Angebote aus dem Ausland bleibt er der Universität zunächst als Hochschulassistent erhalten, da er die Habilitation im Fach Physik anstrebt.
Das Hauptaugenmerk der Forschung lag in der Modellierung von Fähigkeiten und Grenzen des Gehörs bei der Wahrnehmung von zeitlich schwankenden, sogenannten amplituden-modulierten Signalen. Dieses ist besonders relevant, da sämtliche in der Natur vorkommenden Signale, insbesondere Sprache, durch solche Modulationen gekennzeichnet sind. Das Modell versucht, mit einer minimalen Anzahl von Annahmen auszukommen und damit möglichst die gesamte Signalverarbeitung im menschlichen Gehör nachzubilden. Das Modell geht bei der Beschreibung des Schallweges von „außen nach innen“ vor. Beginnend bei den durch den Schall ausgelösten mechanischen Schwingungen am Trommelfell im Außenohr über die Umsetzung dieser Schwingungen in Nervenreizmuster im Innenohr bis hin zur sogenannten internen Repräsentation des ursprünglichen akustischen Eingangssignals im Gehirn. Auf dieser internen Repräsentationsebene setzt dann eine sogenannte Detektionsstufe ein, die darüber entscheidet, ob ein Signal oder eine bestimmte Signaländerung wahrgenommen werden kann oder nicht. Das Modell enthält dabei sowohl neurophysiologisches Wissen über einzelne Verarbeitungsstufen im Gehör als auch physikalische Prinzipien bei der Signalerkennung, wie sie sich z.B. in der Radartechnologie bewährt haben.
Das Modell stehe auf einem hohen international anerkannten Niveau und sei richtungweisend, so Kollmeier. Durch einen solchen Ansatz sei es erst möglich, in der Hörforschung nicht nur eine rein empirische Datenaufnahme durchzuführen, sondern auch zur analytischen Klärung der Funktionen der zugrundeliegenden Verarbeitungsstrukturen zu gelangen. Auf der Grundlage eines solch detaillierten Verarbeitungsmodells werde es in Zukunft möglich sein, ein „Computer-Ohr“ in die Anwendung einzuführen, das wesentliche Funktionen des bisher von keinem technischen System in seiner Leistungsfähigkeit erreichten Hörorgans simulieren könne. Daraus würden sich wichtige praktische Anwendungen im Bereich der Spracherkennung, der Sprach- und Musikübertragung mit niedrigen Datenraten bei hoher Qualität sowie im Bereich der Entwicklung „intelligenter“ Algorithmen für moderne Hörgeräte erschließen.
Kontakt: Dr. Torsten Dau, Arbeitsgruppe Medizinische Physik, Fachbereich 8 Physik, Tel.: 0441/798-3344, Fax: -3698, e-mail: torsten@medi.physik.uni-oldenburg.de