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Jede 10. Frau ist betroffen: Zur Lebenssituation behinderter Frauen

(einen ausführlichen Text zum Thema finden Sie hier)

"Geschieden, allein und geringes Einkommen" - so lautet die Bilanz eines Gutachtens zur "Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen". Autorin ist die Sonderpädagogin Dr. Mathilde Niehaus von der Universität Oldenburg. Auftraggeber des Gutachtens ist das Nordrhein-Westfälische Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann. Grundlage waren Interviews mit betroffenen Frauen und Mädchen sowie amtliche Daten und Statistiken.

Danach zählt über die Hälfte der arbeitslosen weiblichen Behinderten zu den Langzeitarbeitslosen. Aufgrund der geringen Erwerbsquote weiblicher Schwerbehinderter ist ihre finanzielle Situation nach Aussagen der Oldenburger GutachterInnen "bemerkenswert schlecht". So bezogen 1992 rund 40 Prozent der erwerbstätigen behinderten Frauen ein Nettoeinkommen von weniger als 1.400 DM. Erschwerend kommt hinzu, daß im Vergleich mit Männern behinderte Frauen häufiger allein leben.
Entgegen landläufiger Meinung stellen behinderte Frauen keinesfalls eine gesellschaftliche Randgruppe dar: immerhin jede zehnte Frau in Deutschland ist behindert, rund drei Millionen Mädchen und Frauen besitzen einen Schwerbehindertenausweis. Ob eine Behinderung äußerlich leicht erkennbar oder eher verborgen ist, beeinflußt das Verhalten der Umwelt gegenüber den betroffenen Frauen.

Viele fühlen sich dafür bestraft, daß sie die gesellschaftlichen Idealvorstellungen von Schönheit, körperlicher Unversehrtheit und Gesundheit nicht erfüllen können. Es fehlt ihnen außerdem an wohnortnahen Assistenzangeboten und an der Möglichkeit, selbst zu bestimmen, ob sie lieber von einer weiblichen oder männlichen Person betreut werden möchten. "Ja, das ruht alles irgendwo im stillen Kämmerchen, und man spricht hinter verschlossenen Türen darüber, weil man sich ja auch geniert, viele zumindest, zu sagen: Ich brauch da Hilfe", lautet die typische Aussage einer Betroffenen. Auch die Situation in den Arbeitsämtern erleben behinderte Frauen vielfach als problematisch. So empfand eine Betroffene, "daß Behinderte ja einfach so 'ne dritte geschlechtslose Masse bilden". Es gebe "Männer und Frauen und Behinderte".

Das Oldenburger Gutachten empfiehlt daher spezielle Beratungsangebote für die Betroffenen, aber auch für Betriebe, Ämter und Kammern. Denn die Situation wird zusätzlich erschwert durch die Tatsache, daß die meisten Arbeitgeber sich der Verpflichtung entziehen, Schwerbehinderte einzustellen. So stellten 1994 bundesweit drei Viertel der Arbeitgeber keine(n) einzige(n) Schwerbehinderte(n) ein oder kamen ihrer Beschäftigungspflicht nicht in vollem Umfang nach. Laut Gesetz ist jeder Arbeitgeber mit mehr als 15 Arbeitsplätzen verpflichtet, sechs Prozent der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu besetzen. Andernfalls sind pro unbesetzten Platz monatlich 200 DM zu zahlen. Arbeitnehmerinnen und ihre möglichen Arbeitgeber müßten besser über ihre Rechtslage, Fördermöglichkeiten und über Behinderungen im Arbeitsleben informiert werden, lautet ein Fazit der Untersuchungen.

An der Oldenburger Universität ist auch die Begleitforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit zu dem Modellprojekt  "Wohnortnahe berufliche Rehabilitation von Frauen" angesiedelt, ebenfalls unter der Leitung von Niehaus. Das Projekt ist 1996 von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation initiert und in Sachsen-Anhalt, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland eingerichtet worden. Es soll die beruflichen Perspektiven von behinderten Frauen in der Bundesrepublik verbessern helfen. Frauen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Behinderungen werden darin unterstützt, an Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen.

 

Kontakt: Dr. Mathilde Niehaus, Fachbereich 1 Pädagogik, Institut für Erziehungswissenschaft 2, Tel. 0441/798-2176, Fax -2012, e-mail: niehaus@hrz1.uni-oldenburg.de