Presse & Kommunikation

�Die sind froh, wenn ich weg bin�

Verbleibsstudie �ber ehemalige Bundestagsabgeordnete

Oldenburg. Ausgeschiedene Bundestagsabgeordnete tun sich vielfach schwer, wieder im Alltag beruflich und pers�nlich Fu� zu fassen � unabh�ngig von Alter, Geschlecht und Parteizugeh�rigkeit. Gelegentlich haben sie materielle Sorgen, h�ufig aber Probleme mit ihrem Selbstwertgef�hl. Zu diesem Ergebnis gelangt die Sozialwissenschaftlerin Dr. Maria Kreiner in ihrer Dissertation, die sie k�rzlich im Fach Politikwissenschaft an der Universit�t Oldenburg abgeschlossen hat und die jetzt als Buch erschienen ist (�Amt auf Zeit. Eine Verbleibsstudie �ber ehemalige Bundestagsabgeordnete�, Nomos Verlag, Baden-Baden). Kreiner ist zurzeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universit�t Osnabr�ck t�tig.

Die Pilotstudie, die von Prof. Dr. Karl-Heinz Na�macher betreut wurde, untersuchte anhand von 38 anonymisierten Interviews den beruflichen und politischen Verbleib ehemaliger Abgeordneter, die 1994 und 1998 aus dem Bundestag ausschieden. 21 von ihnen kandidierten nicht wieder, die anderen wurden nicht wiedergew�hlt. Die Befragten (zw�lf weiblichen, 26 m�nnlichen Geschlechts) geh�rten allen im Bundestag vertretenen Parteien an.

Der Mandatsverlust sei �ein wahnsinnig tiefer Einschnitt in die Pers�nlichkeit gewesen�, �u�erte ein �Ehemaliger�, den m�sse man �erst mal verkraften, da muss man auch stark sein.� Der �Einschnitt� erkl�rt sich vor allem durch den langen und oft steinigen Weg zum Mandat, wie eine Interviewpartnerin � quasi stellvertretend f�r ihre Kolleginnen und Kollegen � deutlich machte: �Ein Bundestagsmandat ist praktisch der H�hepunkt in der politischen Karriere. Es ist so, dass man das nur erreicht nach unendlichen Jahren, auch unter Zur�ckstellung aller m�glichen eigenen Vorstellungen. Man muss also jahrelang Zettel verteilen und sich die d�mmsten Veranstaltungen antun, bis man da mal in die Weihen kommt.�

Problematisch empfinden viele ehemalige Abgeordnete ihren gesellschaftlichen Status, der f�r die Umwelt untrennbar mit ihrem Bundestagsdasein verbunden bleibe: �In dem Moment, wo Sie sagen, dass Sie Abgeordnete waren, haben Sie die ganze Vorurteilslandschaft, die in den K�pfen der Menschen existiert, am Hals. Sie sind nicht mehr ein normaler Mensch, Sie sind irgendwas anderes, was auch immer.� �hnlich res�mierte eine Befragte �Einen R�ckschritt gibt es da nicht mehr. Ich werde den Rest meines Lebens als ehemalige Politikerin verbringen.�

Zu ihrer �berraschung stie� die Autorin auch auf einige �materielle Problemf�lle� ehemaliger Bundestagsabgeordneter, die z.T. sogar von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Das Bundestagsmandat, stellte ein Interviewpartner fest, sei eben �nur ein Vierjahresvertrag�. Schwierig sei die Situation vor allem f�r Abgeordnete, die nicht dem �ffentlichen Dienst angeh�rten und nicht einfach auf ihren Arbeitsplatz zur�ckkehren k�nnten, so Kreiner. Das �bergangsgeld nach dem Mandat, das teilweise nur vier Monate gezahlt werde, reiche manchmal nicht aus, eine Zeit ohne Besch�ftigung zu �berbr�cken.

Hinzu komme, dass die politische Karriere f�r den Wiedereinstieg in das Berufsleben im Bereich mittlerer Positionen sogar hinderlich sein k�nne. So kam eine Befragte, die nach dem Mandatsverlust l�ngere Zeit arbeitslos war, zu dem Schluss: �Ich habe ja nicht das Problem, dass ich nichts kann, sondern ich bin �berqualifiziert.� Die Bundestagst�tigkeit f�rdere ein pers�nliches Profil, das bei Positionen der mittleren Ebene nachteilig sei: �Man hat ein Profil und das Profil beinhaltet, dass man eben nicht angepasst ist und mutig ist und sich anlegt mit Leuten. Und das ist der weiteren beruflichen Karriere �berhaupt nicht f�rderlich. Es ist genau das Gegenteil von dem, was im Berufsleben erw�nscht ist.�

Von nahezu allen Befragten, gleich welcher Partei, wurde die Rolle der Parteien beim beruflichen Wiedereinstieg nach dem Mandatsende negativ beurteilt. So antwortete ein Befragter, der einer gro�en Partei angeh�rt, auf die Frage, ob er nach dem Mandatsverlust Unterst�tzung von seiner Partei erfahren h�tte: �Die eigene Partei hat sich einen feuchten Kehricht um mich gek�mmert.� �hnlich �u�erte sich eine ehemalige Abgeordnete einer kleinen Partei: �Es ist nicht so, dass die Parteikollegen etwas f�r einen tun wollen. Die, die jetzt noch aufsteigen wollen, sind froh, wenn ich weg bin.�

Insgesamt r�ume die Untersuchung mit Vorurteilen gegen�ber ehemaligen Berufspolitikern auf, res�miert Kreiner. Die Vorstellung, dass man mit einem Bundestagsmandat f�r alle Zeit finanziell abgesichert sei und �ein sch�nes Leben� ohne irgendwelche Probleme f�hren k�nne, sei in dieser Verallgemeinerung mit Sicherheit falsch. Ein Interviewpartner habe es drastisch auf den Punkt gebracht: �Man sieht nur immer die, die ordentlich kassieren, aber das Heer derjenigen, die auf die Nase fallen, sieht man nicht.�

Kontakt: Dr. Maria Kreiner, Universit�t Osnabr�ck, Fachbereich Sozialwissenschaften, Tel.: 0541/969-4243, E-Mail: mkreiner@uni-osnabrueck.de

Prof. Dr. Karl-Heinz Na�macher, Universit�t Oldenburg, Institut f�r Politikwissenschaft, Tel.: 0441/798-2171, E-Mail: edf@uni-oldenburg.de