Presse & Kommunikation

Deutsch-arabischer Dialog über die Rechte von Frauen

DAAD fördert Projekt zur Frauen- und Genderforschung

Oldenburg. Frauen- und Genderforschung in der arabischen Welt, zumal auf der arabischen Halbinsel - das sprengt gängige Vorstellungen von islamisch geprägten Gesellschaften. Welche Lebensperspektive, welche Entwicklungsmöglichkeiten hat ein Mädchen, das mit zwölf Jahren an einen älteren Mann verheiratet wird und mit vierzehn ihr erstes Kind bekommt? Welche Möglichkeiten haben Frauen am politischen Leben teilzunehmen, wenn der Schleier sie bei öffentlichen Auftritten als Person unkenntlich macht? Sind unter Bedingungen wie diesen gemeinsame Forschungsprojekte zu Gender-Themen und Frauenrechten möglich? Können sie überhaupt produktiv sein?

Dr. Lydia Potts, Politikwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Migrationsforschung, leitet ein auf drei Jahre angelegtes Projekt, das am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Oldenburg angesiedelt ist und im Rahmen des „Europäisch-Islamischen Kulturdialogs“ mit einem Gesamtvolumen von voraussichtlich ca. 270.000 € durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert wird. Die Frauen- und Geschlechterforschung hat sich in den letzten Jahrzehnten auch in der Arabischen Welt etablieren können: „Praktisch zeitgleich wie in Europa“, betont Potts. An zahlreichen Universitäten sind Zentren für Frauenforschung entstanden, die in Forschung und Lehre tätig sind, aber auch in die Gesellschaft hineinzuwirken versuchen. Ihre Aktivitäten sind häufig mit Konflikten verbunden und führen immer wieder zu Krisen, aber sie finden statt und sind Grundlage für den Verbund zur Forschung, Curriculumentwicklung und Nachwuchsförderung. Unter dem Dachthema „Politik und Geschlecht“ arbeitet die Universität Oldenburg zusammen mit universitären Zentren in Jemen und Marokko ebenso wie mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in den beiden Ländern. Ein erster Workshop mit 16 PartnerInnen aus den arabischen Universitäten fand vom 26. bis 29. Mai 2006 an der Universität Oldenburg statt.

Im Mittelpunkt des Projekts stehen Fragen der Staatsbürgerschaft von Frauen: Welche Möglichkeiten zur politischen Partizipation und Repräsentation haben Frauen in Deutschland, in Marokko, im Jemen? Wie unterscheiden sich staatsbürgerliche Rechte entlang der Linien von Geschlecht und Klasse, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit? Was trennt, was verbindet? Welches Potenzial für Veränderung gibt es, und welche Wege sehen WissenschaftlerInnen und AktivistInnen in ihren jeweiligen Ländern? Welche Formen der Unterstützung sind sinnvoll und gewünscht?

Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts ist der Zusammenhang von Geschlecht und Gewalt: Was sind effektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, im privaten ebenso wie im öffentlichen Raum? Wie hängen die Konstruktionen von Maskulinität zusammen mit der Gewalt im Geschlechterverhältnis? Und was kann getan werden?

Kooperationspartner der Universität Oldenburg sind das Zentrum für Frauenforschung der Universität Fes in Marokko, das Zentrum für Geschlechterforschung und Entwicklung an der Universität Sana‘a sowie das Frauenforschungs- und Trainingszentrum der Universität Aden, beide im Jemen. Darüber hinaus ist eine Partnerschaft mit dem 1973 gegründeten Institut für Frauenstudien in der Arabischen Welt an der Libanesisch-Amerikanischen Universität Beirut geplant.

Kooperationspartner aber sind konkrete Menschen. „Die Frau“, und damit kommt Potts auf die biografischen Verstrickungen, „die schon als Kind Mutter wurde, leitet heute professionell und engagiert eine Organisation, die für die Rechte von Frauen und Minderheiten im Jemen kämpft und politische Bildung in Dorfschulen etabliert - einer ihrer Söhne zählt zu den Mitstreitern. Im ganzen Land gibt es Frauen wie sie, die selbstbewusst ihr Gesicht zeigen, um am öffentlichen Leben teilzunehmen: sei es als Wissenschaftlerin in der Universität, als Politikerin bei Veranstaltungen, in den Medien oder als berufstätige Frau. Sicher, sie sind eine Minderheit - aber sie verschaffen sich Gehör und arbeiten an der Veränderung der herrschenden Verhältnisse, einschließlich der diskriminierenden Rechtslage - und sie sind lebhaft an internationaler Zusammenarbeit und interkulturellem Austausch interessiert.“

Neben gemeinsamen Forschungsaktivitäten und Publikationen soll das Thema „Politics and Gender“ auch in die Curricula der BA-/MA-Studiengänge aller beteiligten Universitäten integriert werden. Diese Inhalte und Materialien werden zuvor in einer gemeinsam veranstalteten internationalen Summer School für Studierende erprobt.

Das Projekt reicht aber auch über den unmittelbar wissenschaftlichen Bereich hinaus: In allen beteiligten Ländern wird mit Frauenorganisationen aus den Bereichen der Menschenrechts- und Entwicklungspolitik zusammengearbeitet, was u.a. auch Praktika für die Studierenden ermöglicht. Mit zahlreichen Stipendien für Studierende und DoktorandInnen aus allen beteiligten Ländern, wird gezielt die transkulturelle fachliche Qualifikation arabischer und deutscher Sozial- und KulturwissenschaftlerInnen sowie PädagogInnen gefördert.

Kontakt: Dr. Lydia Potts, Martina Kamp, Tel.: 0441/798-5143, E-Mail: politics.gender@uni-oldenburg.de