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Wie der Mensch sieht
Spitzenforschung an der Uni Oldenburg : DFG-Forschergruppe will der Funktionsweise der Netzhaut auf die Spur kommen
Oldenburg. Sehen ist für den Menschen in der Regel so mühelos und selbstverständlich, dass er dazu neigt, die Komplexität der neuronalen Vorgänge zu unterschätzen, die aus dem in das Auge fallenden Licht ein zuverlässiges Bild unserer Umwelt erzeugen. Physikalisch ändert sich die visuelle Umwelt ständig, unter anderem durch wechselnde Beleuchtung und Kontrastverteilung sowie durch Eigen- und Objektbewegung. Dass trotzdem die visuelle Wahrnehmung in weiten Bereichen stabil gehalten werden kann bei zugleich hoher räumlicher Auflösung und präziser zeitlicher Verarbeitung, ist ein Verdienst der Retina (Netzhaut).
Den retinalen Verarbeitungsmechanismen im Einzelnen auf die Spur zu kommen, ist das Ziel einer Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die von dem Neurobiologen und Vizepräsidenten für Forschung der Universität Oldenburg, Prof. Dr. Reto Weiler, initiiert wurde („Dynamik und Stabilisierung retinaler Verarbeitung“). Weiler ist auch ihr Sprecher und sieht in der jetzigen Förderung von 1,75 Mio. Euro für zunächst drei Jahre eine Bestätigung der Spitzenstellung dieses Forschungsgebietes an der Universität Oldenburg. Die Retina-Forschergruppe verstärkt das Forschungszentrum Neurosensorik an der Fakultät V Mathematik und Naturwissenschaften. Neben fünf Oldenburger Arbeitsgruppen ist je eine Arbeitsgruppe der Max-Planck-Institute für Hirnforschung (Frankfurt/M.) und Experimentelle Medizin (Heidelberg) beteiligt.
Die Universität verfügt damit – neben der beim Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) angesiedelten Forschergruppe „BioGeoChemie des Watts“ – über eine zweite DFG-Forschergruppe. Hinzu kommen die beiden DFG-Sonderforschungsbereiche „Automatische Verifikation und Analyse komplexer Systeme“ (AVACS) und „Das aktive Gehör“.
Bei der Retina handelt es sich um ein lichtempfindliches, neuronales Gewebe an der hinteren Innenseite des Auges. In ihr wird das auftreffende Licht, das zuvor die Hornhaut, die Linse und den Glaskörper durchquert hat, in Nervenimpulse umgewandelt und über den optischen Nerv an die verschiedenen Zentren im Gehirn geleitet. Die Retina wird dem Gehirn zugerechnet und ist zugleich ein besonderer Teil des Nervensystems und eine in sich abgeschlossene Einheit der Informationsverarbeitung. Im Rahmen der Forschergruppe soll unter anderem analysiert werden, wie in diesem Netzwerk die Signale von blauempfindlichen Photorezeptoren weiterverarbeitet werden, damit wir am Ende die Farbe Blau wahrnehmen können. Dabei kommen neue Methoden zum Einsatz, welche die gleichzeitige Registrierung der neuronalen Signale von einer Vielzahl von Zellen erlaubt und die mit den modernsten neuroanatomischen und molekularbiologischen Methoden kombiniert werden. Ergänzt werden diese Verfahren mit verhaltensbiologischen Untersuchungen. Damit soll auch aufgeklärt werden, ob die Zugvögel das Magnetfeld der Erde wirklich sehen können und inwieweit die Wahrnehmung von Bewegung von bestimmten Neuronen abhängig ist.
Da die Retina ein gut zugänglicher Teil des Gehirns ist, eröffnet die Arbeit der Forschergruppe auch die Perspektive, einem Verständnis der Verarbeitungsmechanismen in neuronalen Netzwerken allgemein näher zu kommen. Während die Wissenschaft über zunehmend bessere Daten zum molekularen Aufbau des Nervensystems und zur Lokalisation von Aktivitäten im Gehirn verfügt, ist man von einer Erklärung der neuronalen Verarbeitung noch weit entfernt. Diese bildet aber den Kern aller bewussten und unbewussten Gehirnaktivitäten.
Kontakt: Prof. Dr. Reto Weiler, Vizepräsident für Forschung, Tel.: 0441/798-5456, E-Mail: reto.weiler@uni-oldenburg.de