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"Verlaß ist nur auf unsere eigne Kraft"
Lida Gustava Heymann (1868-1943) war eine der bedeutendsten Frauenrechtlerinnen und Pazifistinnen im Deutschland der Jahrhundertwende und des frühen 20ten Jahrhunderts. Das schreibt die Oldenburger Politikwissenschaftlerin Christiane Himmelsbach in ihrer von Prof. Dr. Gerhard Kraiker betreuten und jetzt im BIS-Verlag unter dem Titel "Verlaß ist nur auf unsere eigne Kraft"* erschienenen Magisterarbeit, mit der sie die heute weitgehend unbekannte Heymann wieder ins Licht der Öffentlichkeit stellt. Als Mitbegründerin der sog. abolitionistischen Bewegung in Deutschland bekämpfte sie die staatliche Reglementierung der Prostitution, die sexuelle Ausbeutung von Frauen und gesellschaftliche Doppelmoral. Außerdem war sie eine der Initiatorinnen der Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland.Heymann stammte aus einer bürgerlichen wohlhabenden Hamburger Familie. Sie hatte die damals übliche unfreie Kindheit und Jugend einer "höheren Tochter". Erst nach dem Tod ihres Vaters erlangte sie mit 28 Jahren wirtschaftliche Selbständigkeit und konnte ihr Leben selbst gestalten. Sie schloß sich der bürgerlichen Frauenbewegung an und initiierte mehrere Vereine und Institutionen, die sich um Fraueninteressen kümmerten, z.B. einen koedukativen Kinderhort und einen Mittagstisch für arbeitende Frauen. Es entwickelte sich eine Art Frauenzentrum, wo Frauen zu allen Lebensbereichen eine Beratung erhalten konnten.
Sie geriet sehr schnell in einen Gegensatz zur gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung, da ihr diese in wichtigen Fragen nicht weit genug ging. Für Heymann war das Erlangen der gleichen politischen Rechte wie des Wahlrechts nicht schon das Ziel, sondern erst die Grundvoraussetzung, um die Gleichstellung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen erreichen zu können. Zusammen mit anderen Frauen des "radikalen" Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung gründete sie 1902 den ersten Frauenstimmrechtsverein in Deutschland.
Außer für das Frauenwahlrecht engagierte sie sich gegen die staatliche Reglementierung der Prostitution und die damit verordnete Kasernierung von Prostituierten in Hamburg. Hiermit brach sie ein Tabu der damaligen Zeit. Mit ihrem abolistionistischen Verein (to abolish = abschaffen) geriet sie sehr schnell in Konflikt mit den Hamburger Behörden. Die öffentlichen Vorträge wurden polizeilich überwacht und schließlich verboten.
Heymann war mit ihrer Lebensgefährtin Anita Augspurg ein Leben lang für die Frauen- und die Friedensbewegung tätig. An ihren Überzeugungen hielt sie ihr Leben lang konsequent und kompromißlos fest. 1933 wurden sie auf einer Auslandsreise von der Machtübergabe an Hitler überrascht und kehrten nicht nach Deutschland zurück, da sie auf der Liste der zu liquidierenden Personen standen. 1943 starben Lida Gustava Augspurg und Anita Augspurg im Zürcher Exil.
*Christiane Himmelsbach, "Verlaß ist nur auf unsere eigne Kraft", BIS-Verlag, Oldenburg 1996, 117 Seiten, 10,- DM.
Kontakt: Prof. Dr. Gerhard Kraiker, Institut für Politikwissenschaft II Politik und Gesellschaft, Tel.: 0441/798-2048