Presse & Kommunikation
Edition des Werks von Theodor Lessing
Nach Ossietzky und Tucholsky die dritte große Werkausgabe
Oldenburg. Ein neues großes Editionsvorhaben steht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg an: Geplant ist die Herausgabe der Gesammelten Schriften Theodor Lessings (1872-1933), der zu den großen kritischen Publizisten der Weimarer Republik gehört. Schon mit den Editionen der Werke Carl von Ossietzkys und Kurt Tucholskys hat die Oldenburger Hochschule nach einhelliger Expertenmeinung wichtige Akzente in der Aufarbeitung der politischen und publizistischen Geschichte der Weimarer Republik gesetzt. Die Oldenburger Editionswissenschaft fand auch dadurch Anerkennung, dass neue Projekte von außen an sie herangetragen wurden. Dazu gehört das inzwischen etablierte Hannah Arendt-Zentrum unter der Leitung von Prof. Dr. Antonia Grunenberg, das an einer wissenschaftlichen Gesamtausgabe des Werks von Hannah Arendt arbeitet. Während die Herausgabe der sechsbändigen Ossietzky-Gesamtausgabe 1994 abgeschlossen wurde, sind von den 22 geplanten Bänden der Tucholsky-Gesamtausgabe inzwischen 15 erschienen. Die editorische Arbeit der Ossietzky/Tucholsky-Forschungsstelle an der Universität wird in der wissenschaftlichen Werkausgabe Theodor Lessings ihre Fortsetzung finden.
Die Anregung zu dieser Werkausgabe geht auf Dr. Rainer Marwedel zurück, der 1990 für seine Lessing-Biografie den Carl von Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg erhielt und auch an der Erarbeitung der Ausgabe mitwirken wird. Eine bemerkenswerte Zufälligkeit ist, dass der Enkel Theodor Lessings Professor an der Universität Oldenburg ist, der Informatiker Peter Gorny, dessen Familienarchiv schon für die Vorarbeiten genutzt werden konnte.
Lessing, der aus Hannover stammte und 1933 von den Nationalsozialisten ermordet wurde, wurde u.a. bekannt durch seine 1925 erschienene Studie über den Serienmörder Fritz Haarmann. Auch die Schrift „Der jüdische Selbsthaß“ von 1930 gehört noch heute zu den bekannteren Werken. Lessings philosophische Arbeiten dagegen, etwa seine „Studien zur Wertaxiomatik“, seine Sammlung „Philosophie als Tat“ oder die kulturkritische Abhandlung „Europa und Asien“ sind nur einem engen Fachpublikum vertraut. Weniger bekannt ist auch, dass der Philosoph zugleich als Mediziner, Pädagoge und Psychologe, als Dichter, als Theaterkritiker und -theoretiker sowie als politischer Publizist schriftstellerisch tätig war. Selbst an seine hochaktuelle Studie zum Lärmschutz und seine Initiative, eine Bewegung gegen den Lärm ins Leben zu rufen, erinnert sich kaum noch jemand, was nicht zuletzt daran liegt, dass sein außerordentlich umfangreiches, weit verstreut erschienenes publizistisches Werk - mehr als fünfhundert Artikel, Essays, Glossen oder Feuilletons - bis heute nicht vollständig erschlossen ist und lediglich in einigen Auswahlausgaben vorliegt.
Bei Theodor Lessing handelt es sich um einen Autor, der in seinem die Grenzziehungen wissenschaftlicher Disziplinen überschreitenden Denken und Schreiben als Kulturwissenschaftler schlechthin gelten kann. Sein Werk spiegelt in der kritischen Akzentuierung der Modernisierungsprozesse in beeindruckender Weise die intellektuellen, kulturellen, sozialen und politischen Umbrüche der Moderne in Kaiserreich und Weimarer Republik wider und kann in vieler Hinsicht als originärer Beitrag zu der seinerzeit schon begonnenen Debatte um die Dialektik der Aufklärung gelten. Und nicht zuletzt zeigen sich in Lessings Werk die Probleme jüdischer Assimilation/Akkulturation in Deutschland im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Mit der Lessing-Ausgabe übernimmt eine neue Wissenschaftlergeneration die Arbeit an Editionsprojekten der Universität Oldenburg. Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Kraiker wird mit Antje Bonitz die Tucholsky-Edition zu Ende führen, das neue Projekt wird die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Doering leiten. Kraiker sowie der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Joachim Perels (Universität Hannover) werden das Editionsvorhaben beratend begleiten.
Näheres zu dem aktuellen Projekt ist zu finden in der jüngsten Ausgabe von EINBLICKE, dem Forschungsmagazin der Universität Oldenburg (Gerhard Kraiker, Ute Maack: Ossietzky, Tucholsky und Theodor Lessing, Internet: www.uni-oldenburg.de/presse/einblicke/40/kraiker.pdf).
ⓚ | Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard Kraiker, Tel.: 0441/798-2048, E-Mail: gerhard.kraiker@uni-oldenburg.de |